Stell dir vor, du steckst im Alltagstrott fest und plötzlich bringt ein geheimnisvolles Plakat mit einem einzigen Wort alles ins Wanken. Jill folgt dem Ruf ins Unbekannte und begibt sich auf eine Reise voller Abenteuer, Zweifel und neuen Erkenntnissen. Schließlich muss Jill all ihren Mut zusammennehmen – und alles für ein neues Leben riskieren.
Write our own Story - Gemeinsam mit unserer Community haben wir in fünf Wochen fünf Kapitel geschrieben, die durch eure Abstimmungen bei Instagram entstanden sind.
Kapitel 1 - Knistern
Das Hupen riss Jill aus ihrem Gedankennebel.
Irritiert schaute sie in den Rückspiegel und beobachtete, wie der Autofahrer hinter ihr den Blinker setzte und wild hupend an ihr vorbeifuhr. Sie blickte zurück zur Ampel, als diese wieder auf Rot schaltete, und seufzte.
Zwei Tage, dann war endlich Wochenende. Und in fünf Wochen würde Jill ihren lang ersehnten Urlaub nehmen. Sie müsste dann nicht mehr durch den schleppenden Verkehr zur Arbeit fahren, ihre acht Stunden absitzen und abends alleine Zuhause essen.
Das war das Leben, das sie sich geschaffen hat. Das Leben, das sich über die Jahre halt so ergeben hat: ein Job, der die Miete zahlt, eine kleine Single-Wohnung und das ständige Warten auf das Wochenende. Der Urlaub kam ihr deshalb mehr als gelegen, denn er erlaubte ihr, zumindest für kurze Zeit aus dem Hamsterrad auszubrechen.
Es war ein trüber, verregneter Tag. Einer, bei dem sich jeder am liebsten morgens die Decke wieder bis zum Hals gezogen hätte. Jill hatte früher immer die Leute verabscheut, die nichts aus ihrem Leben machten und nur auf das Wochenende warteten. Und doch war sie selbst zu so einer Person geworden.
Sollte das wirklich schon alles gewesen sein? Ihre Arbeit im Büro absitzen und auf der Couch Fertiggerichte essen, weil es sich nicht lohnte, für sich selbst zu kochen? Hatte sie nicht früher einmal Träume gehabt? Wünsche? Ziele, für die sie die Welt niedergebrannt hätte? Manchmal erinnerte sich Jill an dieses zarte Knistern, das sie als Jugendliche so oft gespürt hatte. Das Gefühl, mit einem Lächeln den Tag zu beginnen und abends mit einem Grinsen einzuschlafen.
Erneut hupte es hinter Jill. Ihr Fuß schwebte über dem Gaspedal, während sie die inzwischen wieder grüne Ampel durch die verregnete Frontscheibe ihres Autos betrachtete. Das strahlende Signallicht war das einzige bunte in dem Meer aus grauen Wolken, Beton und Stein. Sie zögerte das Losfahren heraus und fragte sich selbst, wieso sie das tat. Warum dachte sie gerade jetzt über ihr Leben nach, obwohl es ein Tag wie jeder andere war?
Moment mal.
Das Gehupe ignorierend, kniff Jill ihre Augen zusammen. Sie beugte sich nach vorne und lugte über das Lenkrad. Hinter der Ampel war etwas Farbiges aufgeblitzt. Ein Plakat, so groß, dass Jill sich wunderte, warum es ihr erst jetzt auffiel. In großen Lettern stand ein einziges Wort auf der Reklame. Es war ein Werbeplakat für ein Urlaubsziel. Eines von denen, das sie millionenfach in ihrem Alltag sah. Nichts weiter. Und doch jagte Jill eine Gänsehaut über die Arme. Tränen schossen ihr in die Augen und ihre Wangen brannten.
Ostsee.
Jill glaubte an Zeichen. Sie hatte schon Bücher über Spiritualität gelesen und lugte manchmal in ihr Horoskop, obwohl sie sich bei Letzterem nie sicher war, ob sie diesem wirklich traute. Aber dieses knallbunte Wort inmitten des Graus der Großstadt - daran glaubte sie. Das war eindeutig ein Zeichen.
Sie lauschte dem Hupen und kaute nervös auf ihrer Lippe. Sollte sie es tun? Einfach so ihre Sachen packen und ihrem Chef Bescheid geben, dass sie ihren Urlaub vorziehen würde? Macht man sowas überhaupt?
Jill las das Wort wieder und wieder. Obwohl Zweifel in ihr aufkamen, wusste sie die Antwort bereits. Es war das erste Mal seit Jahren, dass sie einfach nur Ja sagen wollte. Es war der Ruf, den sie sich insgeheim so fest gewünscht hatte. Eine Reise an die Ostsee. Ein Abenteuer. Sie kurbelte das Fenster ihres alten Golfs herunter, streckte den Kopf hinaus und ließ den Regen auf ihre Wange prasseln. Mit geschlossenen Augen nahm sie all ihren Mut zusammen und schrie so laut sie konnte: „Ja. Ich fahre an die Ostsee!”
Jill zögerte das Klopfen ewig hinaus. Ihr Entschluss, noch heute Nacht die knapp 250 Kilometer an die Ostsee zu fahren, stand fest. Aber da gab es ein kleines Problem. Und das hieß Frieda. Jill straffte ihre Schultern und klopfte an die Wohnungstür ihrer ältesten Nachbarin und gleichzeitig ältesten Freundin. Sie kannte Frieda, seit Jill vor zehn Jahren in die Altbauwohnung gezogen war. Die Rentnerin hatte ihre eigene Wohnung gekauft, als Jill noch nicht einmal auf der Welt gewesen war. Seitdem lebte sie dort allein - wobei sie nie wirklich allein war. Als Jill Frieda das erste Mal gesehen hatte, wusste sie, dass zwischen den beiden eine wunderbare - und vielleicht auch etwas ungewöhnliche - Freundschaft entstehen würde.
„Jill, Schätzchen. Hast du mal auf die Uhr geschaut?“, krächzte Frieda, als sie die Tür öffnete.
Hatte Jill natürlich. Aber da sie nicht wusste, wie lange sie an der Ostsee bleiben würde, musste sie sich vorher von ihrer Freundin verabschieden. Seitdem Jill durch den Regen vom Parkplatz zum Haus gerannt war, hatte ein Gedanke angefangen, in ihr zu reifen: Was, wenn sie zusätzlich unbezahlten Urlaub beantragen und gleich zwei Monate an der Ostsee bleiben würde?
„Ich weiß, ich weiß. Aber ich muss dir etwas erzählen und das kann nicht bis morgen warten.“
Aufgeregt tänzelte Jill von einem Fuß auf den anderen. Hinter ihr standen zwei gepackte Koffer. Jetzt wollte sie nur noch Friedas Segen.
„Komm doch erst einmal rein, mein Kind.“
„Frieda, ich muss jetzt sofort los. Ich … Ich fahre an die Ostsee! Einfach so, verrückt, oder?“
Ihre Freundin runzelte die ohnehin schon faltige Stirn. „Heute Nacht?“
Jill nickte strahlend. Sie wusste selbst, wie albern es erscheinen mochte, dass sie auf und abtanzte wie ein kleines Kind vor Weihnachten. Aber es fühlte sich richtig an. Und sie wollte unbedingt diesem aufregenden, neuen Gefühl nachgehen.
Statt einer Antwort, knallte Frieda ihr die Tür vor der Nase zu. Jill hörte augenblicklich auf zu tänzeln. Ihre Wangen brannten, diesmal aus Scham. Hatte sie ihre Freundin mit ihrer Abreise etwa so verärgert, dass sie ihr nicht einmal Tschüss sagen mochte? Zweifel stiegen in Jill auf. Vielleicht war es doch eine alberne Idee. Einfach verreisen ... Sowas machte man eben nicht. Jedenfalls nicht bei klarem Verstand.
Mit hängenden Schultern schlurfte Jill den Flur entlang zu ihrer Wohnung. Zurück in ihr gewohntes, graues und tristes Leben. Abenteuer sind wohl nicht für jeden, besonders nicht, wenn ...
„Wo willst du denn hin?“, krächzte jemand hinter ihr.
Jill drehte sich blitzschnell um. Sie sah, wie Frieda ihre Wohnungstür hinter sich abschloss und die faltige Hand an den Griff eines Koffers legte. „Ich komme mit. Jedenfalls, wenn du noch Platz für eine alte Dame hast.“
Jills Mundwinkel zogen sich nach oben. Sie hatte niemals damit gerechnet, spontan die Großstadt hinter sich zu lassen, um an die Ostsee zu fahren. Aber dass Frieda mitkommen würde, setzte noch einen drauf. Es war genau die Reise, die Jill brauchte. Und Frieda war die beste Reisebegleitung, die sie sich vorstellen konnte. Sie schulterte ihre Tasche und zwinkerte ihrer Freundin zu.
„Na los, lass uns gemeinsam ein Abenteuer erleben.“
Kapitel 2 - Funken
Es war zwei Uhr nachts, es regnete und Jill war so müde wie seit langem nicht mehr.
Frieda war schon vor Stunden auf dem Beifahrersitz eingeschlafen. Auch Jill spürte, dass es an der Zeit war, eine Unterkunft für die Nacht zu suchen. Doch erstens wollte sie so schnell wie möglich an ihrem Ziel Ostsee ankommen. Und zweitens hatte sie absolut keine Idee, wo sie übernachten sollten, denn die nächste Ausfahrt führte zu einer Stadt, von der Jill noch nie zuvor gehört hatte.
Obwohl Jill ein Abenteuer wollte, spürte sie neben der Müdigkeit etwas, das sich unangenehm und fremd anfühlte. Ihr Kiefer schmerzte und sie merkte beim Blinkersetzen, wie verkrampft sie das Lenkrad die ganze Zeit über festgehalten hatte. Sie brauchte einen Plan, so wie immer in ihrem Leben. Eine Richtung – nicht nur die Ostsee –, sondern ein richtiges Ziel.
Seit Jill ihr Abitur vor einer halben Ewigkeit absolviert hatte, war jeder Schritt in ihrem Leben festgelegt: Studium beenden, in die Großstadt ziehen, Karriere machen, glücklich sein. Dass Letzteres – das Glücklichsein – auf der Strecke geblieben ist, hatte sie heute realisiert.
Sie hatte immer gedacht, dass es nach Karriere machen und glücklich sein, enden würde. Nein, nicht im traurigen Sinne. Sondern, dass sie sich dann angekommen fühlen würde. Dass sie nach dem Erreichen dieser Lebensziele das Gefühl haben würde, es im Leben geschafft zu haben. Und doch schleppte sie sich von Wochenende zu Wochenende.
Das Plakat mit der Aufschrift Ostsee war Jills Rettungsring gewesen.
Ein lautes Schnarchen neben Jill ließ sie zusammenzucken. Sie lockerte ihren festen Griff um das Lenkrad und fuhr langsam an die Ampel, die nach der Ausfahrt kam. Links oder rechts? Hätte sie sich doch nur eine Route herausgesucht, bevor die beiden überstürzt aufgebrochen waren. Oder wenigstens ein Hotel, in dem sie heute Nacht übernachten könnten.
Links oder rechts?
Links?
Rechts?
„Frieda?“
Jills Freundin rührte sich nicht. Sie probierte es noch einmal. „Psst, Frieda.“
„Hmm“, grummelte diese und atmete tief ein und aus.
Sanft legte Jill ihre Hand an Friedas Arm. Ihre Augen öffneten sich langsam.
„Nicht erschrecken“, begann Jill. „Aber du musst mir helfen. Ich weiß nicht, wo wir lang sollen.“
Frieda nahm ihre Brille ab und rieb sich mit ihrer faltigen Hand über die Augen. „Wo sind wir?“
„Irgendetwas mit Bad Sowieso. Sollen wir nach links oder rechts abbiegen? Ich ... Ich weiß nicht, warum ich mich so schwer tue, aber ich kann mich nicht entscheiden. Es fühlt sich an, als würde alles in mir eingefroren sein. Nach links geht es jedenfalls ins Stadtzentrum. Rechts würden wir zu einer Landstraße gelangen. Was meinst du?“
„Ist es nicht vollkommen egal, für was du dich entscheidest?“, krächzte Frieda.
Jill runzelte die Stirn. Es war nie egal, für was man sich entschied. Eine Entscheidung konnte das ganze Leben beeinflussen. Warum sonst war sie in einem Leben gelandet, das überhaupt nicht zu ihr passte? Weil sie falsche Entscheidungen getroffen und nicht weit genug geplant hatte.
Frieda ließ sich von Jills skeptischem Gesichtsausdruck nicht beirren. „Jeder Weg führt uns am Ende an ein Ziel. Es liegt nur an uns zu entscheiden, was wir dort machen wollen. Falsch abbiegen kannst du deshalb überhaupt nicht.“
„Frieda ... Links oder rechts?“, fragte Jill ungeduldig.
„Rechts.“
Die Landstraße führte die beiden fünfzehn Minuten durch die Dunkelheit und Jill begann bereits sich zu ärgern, dass sie nicht in Richtung Stadtkern gefahren waren, als eine Laterne am Straßenrand auftauchte. Sie beleuchtete ein Holzschild, das Jill erleichtert aufatmen ließ.
Pension zum Funkenflug.
Jill parkte ihren Golf auf dem prall gefüllten Parkplatz vor dem alten Gasthaus. Ein Blick auf die Armbanduhr feuerte ihre Sorgen wieder an. Ob sie die Nacht überhaupt hier verbringen könnten? Die Pension sah ausgebucht aus und ob die Rezeption um diese Uhrzeit noch besetzt war, bezweifelte sie.
Mit ihrer Reisetasche über dem Arm und Friedas Koffer in der Hand stiegen sie die Treppe zum Eingang hinauf. Es roch nach Bauernhof – eine weit entfernte Erinnerung aus Jills Kindheit, in der sie die Sommer bei ihrer Großmutter und die Nächte mit Lesen verbracht hatte.
„Guten Abend die Damen“, begrüßte sie ein älterer Mann. Er saß an einem Mahagonitisch gegenüber der Eingangstür, über der beim Eintreten eine Glocke geläutet hatte. „Oder besser gute Nacht?“ Der Mann grinste und wirkte überhaupt nicht müde. Ganz anders als die beiden Frauen.
„H ... Hallo. Haben Sie zufällig etwas frei für uns?“
„Heute ist Ihr Glückstag. Wir haben noch ein Zimmer.“
„Siehst du“, flüsterte Frieda. „Es gibt keine falschen Entscheidungen.“
Es war ein ungewohntes, gleichzeitig aber auch schönes Gefühl, dass Frieda und Jill sich ein Zimmer teilten. Jill wusste schon von Anfang an, dass diese Reise die beiden näher zusammenbringen würde.
Sie lagen Seite an Seite in einem Holzbett, das in ihrem liebevoll eingerichteten Zimmer stand. Rosentapete an der einen Wand, wiesengrüne Farbe an den anderen. Alte, eingerahmte Fotos zierten das Zimmer und zeigten Bilder vom Gutshaus seit 1876. Die Pension zum Funkenflug hatte Charakter – und sie war genau die Unterkunft, die zu Friedas und Jills Reise passte.
Jill schnaubte grinsend.
„Was gibt es denn zu lachen, Kindchen?“, krächzte Frieda.
„Ich habe nur darüber nachgedacht, dass du Recht hattest. Es ist gut, dass wir hier gelandet sind. Meinst du, uns wäre etwas vergleichbar Gutes passiert, wenn wir links abgebogen wären?“
„Natürlich. Es geht nicht darum, wie wir uns entscheiden. Sondern, dass wir uns überhaupt entscheiden. Stelle dir vor, du wärst für immer an der Ampel stehengeblieben. Dann hätten wir im Auto übernachtet.“
„Aber die Entscheidung, nach rechts zu fahren, hast du getroffen“, murmelte Jill und ihr Grinsen verschwand. „Ich habe solche Angst davor, die Kontrolle verlieren, dass ich mich manchmal wie gelähmt fühle. Aber noch schwerer fällt es mir, mich zu entscheiden, wenn ich keinen Weg vor mir ausgebreitet sehe. Ich glaube, deshalb wollte ich unbedingt diese Reise. Ich wollte mir selbst beweisen, wie spontan ich sein kann. Dabei kann ich noch nicht einmal entscheiden, ob wir links oder rechts abbiegen.“
Frieda seufzte. „Mir sind Entscheidungen auch nicht immer leicht gefallen, weißt du.“
Jill drehte sich auf die Seite und klemmte den Arm unter den Kopf, um Frieda besser lauschen zu können.
„Ich hatte viele Chancen in meinem Leben gehabt, aber nur wenige von ihnen ergriffen. Erst zu spät habe ich erkannt, dass das Leben dir aus den Fingern gleitet, wenn du dich nie für oder gegen etwas entscheidest. Und dann bist du plötzlich alt und schaust auf deine Jahre zurück, anstatt sie vor dir zu haben. Mein Traum war immer, dass sich jemand an mich erinnert. Ich wollte etwas bewirken, woran die Menschen noch in Hundert Jahren zurückdenken.“
„An diese Reise werde ich für immer zurückdenken“, protestierte Jill liebevoll.
„Ich doch auch, mein Kind. Aber es ist etwas anderes, wenn du irgendwann so alt bist wie ich. Da ist es nicht mehr so leicht, seine Träume zu verwirklichen. Als ich jung war ...“, sie seufzte hörbar auf. „Die Eltern meiner damaligen Freundin haben mir angeboten, mich mit nach Portugal an die Küste zu nehmen. Nun ja, ich habe zu lange gewartet und sie sind ohne mich gefahren. Deshalb solltest du mit deinen Entscheidungen nie zu lange warten.“
„Davon hast du mir nie erzählt. Also bist du nie nach Portugal?“
„Aber doch! Nur eben alleine. Ich habe mir mein Fahrrad geschnappt und bin losgefahren.“
„Du hast was?!“ Jill setzte sich kerzengerade im Bett auf. „Mit dem Fahrrad nach Portugal? Das muss doch ewig gedauert haben!“
„Das ist lange her. Ich hatte kein Geld für ein Flugticket, aber ich wollte unbedingt die Welt sehen. Ich war ein Jahr unterwegs, dann habe ich mich in der Universität eingeschrieben.“
„Und du sagst, dass man sich nicht an dich erinnern wird. Das ist eine so tolle Geschichte, Frieda! Weißt du ... Ich habe den Notizblock dabei, in den ich manchmal Ideen für Geschichten schreibe. Wenn du das in Ordnung findest, würde ich gerne ... Ich würde deine Portugal-Reise gerne aufschreiben! Was meinst du?“
In dieser verregneten Nacht, irgendwo im Nirgendwo, in einer Pension, die älter war als Frieda und Jill zusammen, nickte Frieda ihrer Freudin mit Tränen in den Augen zu. In ihrem Blick lag ein Funken, während sie von ihrem eigenen Abenteuer erzählte, von den Hindernissen und Begegnungen, die sie auf dem Weg nach Portugal erlebt hatte. Dieser Funken ließ nicht nur Jills Stift über das Papier fliegen.
Er sprang zu ihr über.
Als der Regen wenig später an die Scheiben prasselte, und Jill Friedas leisem Schnarchen zuhörte, erinnerte sie sich an ihren eigenen Traum. Das Notizbuch mit den Ideen hatte sie immer dabei gehabt: auf dem Weg zur Arbeit, in der obersten Schublade im Büro, zuhause auf ihrem Nachttisch. So lange hatte sie das Offensichtliche übersehen, dabei war es direkt vor ihren Augen.
Jill wollte schreiben. Gedichte, Romane, Geschichten. So eine wie Friedas.
Und in dieser Nacht hat sie endlich damit begonnen.
Kapitel 3 - Leuchten
„Einen echten Schatz?!“, fragte Jill entgeistert und verschluckte sich beinahe an ihrem Tee.
Frieda und sie waren trotz der kurzen Nacht früh aufgestanden und damit die ersten Gäste am Frühstücksbuffet. Der Speisesaal der Pension zum Funkenflug befand sich im Erdgeschoss und bot einen atemberaubenden Blick auf die mit Tau bedeckten Felder. Diese idyllische Aussicht nahm Jill jedoch schon seit einer Weile nicht mehr wahr. Gebannt lauschte sie Friedas Erzählungen, die von alten Mythen und Legenden rund um die Ostsee handelten, und die jetzt eine noch spannendere Richtung einnahmen.
„Es soll hier wirklich einen Schatz geben?“, wiederholte sie ungläubig.
„Nun ja, es gibt eine Sage, die von einer untergegangenen Stadt handelt. Ob es da wahrhaftig einen Schatz gibt, weiß ich nicht.“
Jill kicherte. „Atlantis?“
„Nicht Atlantis, Kindchen. Veret ... Oder nein, Vinet. Oder ... Moment mal, wie hieß die Stadt noch gleich.“
„Vineta“, meldete sich plötzlich ein Mann vom Nachbartisch. Jill hatte gar nicht mitbekommen, dass er den Raum betreten, geschweige denn sich neben die beiden gesetzt hatte. „Entschuldigen Sie bitte, dass ich mich einmische, aber ich habe zufällig gehört, worüber Sie reden. Vineta heißt die Stadt. Doch wo sie wirklich liegen soll, weiß niemand.“
„Genau, so hieß sie!“ Frieda grinste erst den Mann, dann Jill triumphierend an.
Jill erwiderte das Grinsen. „Also wird unsere Abenteuerreise jetzt etwa eine Schatzsuche?“
Wenn das so wäre, könnte Jill noch mehr Ideen für ihre Geschichten sammeln. Vielleicht ließe sich ja sogar etwas in das Buch integrieren, dass sie über Frieda schrieb.
„Meinst du nicht, dass ich etwas zu alt für eine Schatzsuche bin, Kindchen?“ Frieda machte eine wegwerfende Handbewegung und biss von ihrem Marmeladenbrötchen ab.
„Wenn wir sowieso an die Ostsee fahren, können wir es doch versuchen. Wer weiß, was wir finden! Was hältst du von dem Ort Koserow?“, fragte Jill und hielt Frieda ihr Smartphone unter die Nase. Sie hatte nach der untergegangenen Stadt Vineta gegoogelt und gesehen, dass dies einer der möglichen Orte war, an dem die Stadt liegen könnte.
„Nun ja, Sie könnten es dort versuchen. Ich habe aber auch gehört, dass es in Timmendorfer Strand Anzeichen für die Stadt geben soll. Manchmal werden dort mittelalterliche Münzen angespült“, murmelte der Mann und schaute wieder auf seine Zeitung.
„Timmendorfer Strand. Was meinst du, Frieda? Ist das unser Ostsee-Ziel?“
Ihre Freundin schaute noch einmal zu dem Fremden, ehe sie ihre Brille richtete und lächelte. „Na schön, dann mal los.“
Noch bevor sie Timmendorfer Strand erreichten, erspähte Jill bereits das Meer. Seit einer Stunde fuhren sie an Feldern vorbei, die ab und zu den Blick auf das tiefe Blau der Ostsee freigaben.
Mit jedem Meter, den sie sich ihrem Ziel näherten, wuchs Jills Vorfreude. Und mit jedem Meter, den sie zwischen sich und ihr Zuhause brachte, verstärkte sich das nagende Gefühl in ihr, dass diese Reise weitaus größer war, als sie zunächst gedacht hatte.
Schon die vergangene Nacht hatte Jill aufgewühlt. Aufgewühlt, aber auf genau die Art und Weise, die Jill gebraucht hatte. Ein Weckruf. Eine Erinnerung an ihre eigenen Träume, die unweigerlich mit denen ihrer Freundin Frieda verbunden waren.
„Geht es dir gut, mein Kind?“, fragte Frieda und kurbelte das Fenster ein Stück nach oben. Jill hatte diese Frage bereits vier Mal gehört, seit sie an diesem sonnigen Vormittag aus der Pension aufgebrochen waren.
Sie schnaubte amüsiert. „Immer noch: Ja. Geht es dir denn gut?“
„Du bist wieder so nachdenklich“, erwiderte Frieda und ließ Jill nicht aus den Augen. „Ist es wegen des Schatzes?“
Jill lachte auf. „Ja, der geistert schon den ganzen Morgen in meinem Kopf herum. Aber tatsächlich ist es etwas anderes, worüber ich nachdenke. Ich habe ... Nun ja, ich überlege zu kündigen. Und bevor du mich davon abhältst, lass' mich erklären, warum ich denke, dass das eine leichtsinnige, aber trotzdem gute Entscheidung ist.“
„Wer hat denn etwas von ausreden gesagt? Haben wir nicht gestern über Entscheidungen gesprochen und wie wichtig es ist, diese zu treffen?“
Jill schaute zu Frieda herüber und grinste verschmitzt. „Ja, haben wir. Also keine Erklärung?“
„Du kannst mir erklären, was du möchtest. Aber du musst wissen, dass du niemandem außer dir selbst Rechenschaft schuldig bist.“
„Na gut“, sagte Jill und zuckte mit den Schultern. „Weißt du was, ich erkläre es dir trotzdem. Mein Job nimmt mich so sehr ein, dass ich gar nicht mehr über etwas anderes nachdenken kann. Ich möchte endlich wieder kreativ sein und das tun, was ich liebe. Seit gestern weiß ich, dass ich schreiben möchte. Ich könnte erstmal in einem Café jobben, um die Miete zu bezahlen, und die restliche Zeit nutzen, um meinem Traum zu folgen. Ich spüre einfach, dass ich nicht mehr damit warten möchte, all die Geschichten aus meinem Kopf auf das Papier zu bringen. Ist die Idee gut? Oder drehe ich durch?“
„Ich finde, die Idee ist perfekt. Wenn du über das Schreiben sprichst, sehe ich immer ein Leuchten in deinen Augen. Das ist doch schon Grund genug“, sagte Frieda und tätschelte Jills Hand.
„Aber was ist, wenn keiner meine Bücher lesen will? Dann mache ich mich zur Lachnummer und habe die Chance vertan, Karriere zu machen.“
Jill wusste nicht so recht, warum ihre Gedanken auf einmal diese gegensätzliche Richtung eingenommen hatten. In ihrem Herzen spürte sie, dass sie dem Ruf folgen und das tun wollte, was sie endlich nach all der Zeit wiederentdeckt hatte: das Schreiben.
Ihr Kopf jedoch ... Ihr Kopf schrie laut, dass sie alles so lassen sollte, wie es war. Denn so war sie wenigstens sicher. Wenn sie nichts veränderte, dann ... Nun ja, dann veränderte sich eben auch nichts. Besonders nicht ins Schlechte.
„Erst einmal: Ist das denn die Karriere, die du verfolgen möchtest?“, fragte Frieda und traf damit genau ins Schwarze.
„Nicht wirklich.“ Jill seufzte.
„Ich bin mir sicher, dass du Menschen mit deinen Geschichten erreichen wirst, wenn du aus deinem Herzen heraus schreibst. Du wirst nie den Geschmack aller treffen und das sollst du auch überhaupt nicht. Hast du schon einmal Sanddorneis probiert?“ Frieda zeigte plötzlich auf ein Schild, das einige Meter vor den beiden am Straßenrand aufgetaucht war und wechselte damit blitzschnell das Thema.
Jill setzte den Blinker und hielt neben der Eisdiele auf einem kleinen, gut gefüllten Parkplatz an. Die Eisdiele stand inmitten von Rapsfeldern und obwohl Jill gedacht hatte, dass keine Menschenseele die kleine Bude finden würde, hatte die junge Frau, die das Eis verkaufte, alle Hände voll zu tun.
Nachdem sich die beiden zwei Sanddorneis gekauft haben und sich auf eine Bank in den Schatten setzten, griff Frieda auf einmal das Gespräch aus dem Auto wieder auf.
„Obwohl Sanddorneis meiner Meinung nach die leckerste Eissorte ist, gibt es Menschen, die einfach kein Sanddorn mögen.“
Jill lachte darüber, dass Frieda ihr mithilfe der wie aus dem Nichts aufgetauchten Eisdiele etwas fürs Leben erklärte. Sie probierte das Eis und verzog das Gesicht. Frieda hatte Recht. Es gab Menschen – so wie Jill – die einfach kein Sanddorn mochten. Und dass obwohl es Friedas Lieblingssorte war.
„Du musst überhaupt nicht allen gefallen “, fuhr Frieda fort. „Wenn du eines deiner Bücher veröffentlichst, wird es jemandes Lieblingsbuch, da bin ich mir sicher. Wenn du es nicht veröffentlichst, wird aber niemand davon erfahren. Dann wirst du zwar keine Kritik bekommen, aber du wirst auch niemals die Stimme deines Herzens sprechen lassen.“
Jill schüttelte über Friedas Lebensweisheit liebevoll den Kopf.
„Darf ich mir das, was du da gerade gesagt hast, aufschreiben?“, fragte sie und kramte in ihrer Tasche nach ihrem Schreib-Notizblock.
Frieda war von Natur aus bereits eine so spannende Frau, dass es Jill nicht schwerfallen würde, ein ganzes Buch über sie zu schreiben. Aber dafür müsste sie erst einmal ihren Notizblock finden. Sie schaute in ihre Tasche und hielt den Atem an.
„Frieda ... Hast du mein kleines Büchlein eingesteckt?“
Ihre Freundin schüttelte den Kopf.
„Mist! Wir müssen wieder umdrehen.“
Obwohl der Tag so vieles versprochen hatte, sank Jills Stimmung mit einem Mal in den Keller. Wenn sie jetzt die ganze Strecke wieder zurück zur Pension fuhren, würden sie erst heute Abend in Timmendorfer Strand ankommen.
Jill war bereits aufgestanden, als sie zu ihrer Freundin schaute. Frieda zögerte, so als würde sie nun etwas beschäftigen.
„Alles in Ordnung? Wir müssten es heute noch an unser Ziel schaffen“, sagte Jill und hielt Frieda ihre Hand hin, um ihr beim Aufstehen zu helfen.
„Ich werde in der Pension bleiben, mein Kindchen. Ich habe nochmal über diese Reise nachgedacht. Das ist dein Abenteuer, nicht meines.“
Jill schüttelte verwirrt den Kopf. Was meinte Frieda damit? Wann hatte sie darüber nachgedacht? Und vor allem: Warum wollte sie so plötzlich nicht mehr mitkommen? Gerade eben war doch noch alles gut.
„Aber du hast gesagt, dass du mich begleitest. Das ist unsere Reise, nicht meine!“
Jill wusste selbst nicht, warum sie so aufgebracht war. Dieses Abenteuer sollte beiden gehören, nicht ihr allein. Sie hatte doch gerade erst begonnen, Friedas Geschichte aufzuschreiben und hatte noch so viele Ideen für das Buch über ihre Freundin.
„Nein.“
Das war Friedas Antwort. Keine Erklärung. Kein wirklicher Grund. Ja, nicht einmal eine Entschuldigung. Jill schwirrte der Kopf. Ihre Gefühle spielten verrückt. Sie fühlte sich wütend, war gleichzeitig enttäuscht von ihrer Freundin. Und irgendwie fühlte sie sich auch im Stich gelassen.
„Bitte lass mich jetzt nicht allein“, hauchte Jill und schluchzte plötzlich auf.
Frieda stellte die Eisbecher zur Seite und griff nach Jills Händen. „Ich werde dich niemals alleine lassen. Dieses Abenteuer sollte deines sein. Deines ganz allein. Und wenn du zurück nach Hause fährst, werde ich auf dem Weg in der Pension auf dich warten.“
„Aber Frieda, ich ... Ich weiß nicht, ob ich überhaupt zurück nach Hause fahren werde. Ich brauche Abstand zu allem. Zu allem außer zu dir. Ich schaffe das nicht ohne dich. Erst habe ich gedacht, dass dies einfach nur ein normaler Ausflug wird. Dass wir uns die Ostsee anschauen und wieder nach Hause fahren. Aber die Reise ist viel größer, als ich dachte. Was ist, wenn ich den Weg nicht finde? Wenn ich wieder an einer Kreuzung stehe, bei der ich nicht weiß, wo ich abbiegen soll.“
„Die Entscheidung an der Ampel war so klein, mein Schatz. Die wirklich große Entscheidung hast du ganz allein getroffen. Und zwar, dass du überhaupt erst losgefahren bist. Du brauchst niemanden, der sagt, wie und wo du abbiegst.“
Jill seufzte. Ein Seufzen, das lange überfällig und deutlich hörbar war. Sie wusste, dass Frieda Recht hatte. Und doch fühlte es sich beängstigend an, den Rest der Reise alleine zu bewältigen.
Jill wusste, dass diese Reise noch mehr Veränderung für sie bereithielt. Und dass sie am Ende an ihrem Ziel etwas finden würde.
Vielleicht den Schatz, von dem Frieda erzählt hatte.
Und vielleicht auch ein kleines Bisschen mehr sich selbst.
Kapitel 4 - Dunkelheit
Alleinsein.
Jill hatte nie gedacht, dass es ihr jemals so schwer fallen würde, allein zu sein.
Nachdem Frieda entschieden hatte, sie nicht mehr zu begleiten, hatte Jill versucht, es ihr wieder und wieder auszureden. Die ganze Fahrt zur Pension Zum Funkenflug hatte sie Frieda gebeten, ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken. Erst als Jill gemerkt hatte, dass vielleicht noch mehr dahinter stecken könnte, hatte sie aufgehört.
Sie wusste, dass Frieda Recht hatte; dass es Jills Reise war und dass sie lernen musste, diese auf eigene Faust zu beenden. Aber vielleicht – und das realisierte Jill erst, als sie wieder allein hinter dem Lenkrad ihres alten Golfs durch die Dämmerung fuhr – vielleicht hatte Frieda ihr mit ihrer Entscheidung auch sagen wollen, dass für sie das Abenteuer bereits groß genug gewesen war.
Die lange Fahrt in der ersten Nacht. Die tiefen, wunderbaren Gespräche über Friedas bewegendes Leben. Der Aufbruch zur vermeindlichen Schatzsuche. All das war bereits ein Abenteuer, das die beiden Freundinnen gemeinsam erleben durften. Jetzt folgte der Teil der Reise, der Jill ganz allein gehören sollte. Noch nie in ihrem Leben hatte Jill sich so zerissen gefühlt, so allein, so ... fremd in ihrem eigenen Leben. Sie wollte, dass sich etwas veränderte. Gleichzeitig wollte sie aber nichts lieber, als dass alles so blieb, wie es war.
Die Landstraße zog sich wie ein endloses Band vor Jill hin. Der Himmel, der anfangs nur ein paar Regentropfen versprochen hatte, begann sich zunehmend zu verdunkeln. Es war fast, als hätte die Natur ebenfalls beschlossen, ihre Reise in ein neues Leben in Frage zu stellen. Die ersten Regentropfen fielen auf die Windschutzscheibe und es dauerte nicht lange, dass sich der leichte Nieselregen in ein heftiges Unwetter verwandelte. Der Regen prasselte so stark auf das Auto, dass die Scheibenwischer kaum mithalten konnten, und der Wind rüttelte bedrohlich an der Karosserie ihres Autos.
Jill spürte, wie die Unsicherheit in ihr wuchs. Mit jedem Kilometer, den sie zurücklegte, fragte sie sich, ob sie die richtige Entscheidung getroffen hatte, allein durch dieses Unwetter zu fahren, das nicht nur Regen für sie bedeuten würde. Seitdem sie auf ihrem Instagram Account gepostet hatte, dass sie an einem Schreibwettbewerb teilnahm, traute sie sich nicht mehr, auf ihr Handy zu schauen. Sie wusste, dass es leichtsinnig war, ihren Traum öffentlich zu machen, gerade, da sie sich ihn selbst erst vor kurzem eingestanden hatte.
Aber gerade deshalb wollte sie, dass alle in ihrem Umfeld davon wussten. Sie wollte sich nicht mehr verstecken und wollte – bevor sie den Mut verlor – allen zeigen, dass sie Autorin sein wollte. Mit dem Unwetter, das sie mit ihrem Posting heraufbeschwor, konnte sie sich jetzt jedoch nicht beschäftigen. Zu erst musste sie ihr Auto unterstellen und einen Ort finden, wo sie das Gewitter ausharren konnte. Der Himmel war fast vollständig schwarz, nur gelegentlich durchzuckte ein Blitz die Dunkelheit und beleuchtete die regennassen Straßen. Als der Regen immer stärker wurde und die Sicht nahezu unmöglich machte, entdeckte Jill eine Raststätte.
Der Rastplatz wirkte wie ein sicherer Hafen inmitten des Sturms. Jill stellte den Motor ab, lehnte sich in ihrem Sitz zurück und atmete tief durch. Sie konnte das Trommeln des Regens auf dem Dach des Autos hören, das Rauschen des Windes, das Heulen des Sturms – alles schien zusammenzukommen, um ihre Entschlossenheit auf die Probe zu stellen. Ist es wirklich so schlau gewesen, gleich allen zu erzählen, dass sie schreiben wollte?
Plötzlich sah Jill das Display ihres Handy auf dem Beifahrersitz aufleuchten. Sie wollte nicht nachgucken, weil sie ahnte, welche Art von Nachrichten sie erhalten würde. Doch ihr Handy blinkte wieder und wieder auf und machte es ihr unmöglich, nicht nachzuschauen. Sie griff nach ihrem Handy und las die zahlreichen Nachrichten.
Die Reaktionen auf ihren Entschluss, Schriftstellerin zu werden, waren gemischt. Kaum einer ermutigte sie, ihren Traum zu verfolgen. Die meisten Nachrichten, die sie überflog, waren skeptisch und warnten sie vor den Risiken.
Es ist ein harter Weg, Jill. Bist du dir sicher, dass du das durchziehen kannst?
Denk daran, wie sicher dein Job ist. Du hast eine Karriere aufgebaut. Willst du das wirklich aufgeben?
Autorin? Es gibt doch schon so viele!
Jills Herz zog sich schmerzhaft zusammen, während sich ihre Augen mit Tränen füllten. Was hatte sie erwartet? Dass sich die Leute in ihrem Umfeld freuten, dass sie so eine drastische Entscheidung traf? Sie schüttelte sich und wischte sich hastig über die Augen. Dies war nicht der richtige Zeitpunkt, um die Nachrichten zu lesen. Nicht inmitten dieses Unwetters, dass sie immer mehr erdrückte.
Sie lief durch den Regen und erreichte den Eingang der Raststätte. Eine Welle der Wärme empfing sie und auch der Duft nach Gebäck und Kaffee hellte ihr Stimmung zumindest ein kleines Bisschen auf. Sie schüttelte den Regen von ihrer Jacke, bestellte einen heißen Tee und setzte sich an einen der freien Tische, von denen sie den Parkplatz überblicken konnte. Der Lärm des Unwetters wurde hier drinnen gedämpft, und die sanfte Musik, die aus den Lautsprechern drang, schuf eine beruhigende Atmosphäre.
Jill nahm einen Schluck von ihrem Tee und schloss die Augen. Ihre Gedanken wirbelten genauso wild wie der Sturm draußen. Sie dachte an Frieda, die sie zurückgelassen hatte. Sie dachte an die Reise, die sie begonnen, an die Entscheidungen, die sie getroffen hatte, und daran, was noch vor ihr lag. Doch vor allem dachte sie an den Traum, der sie überhaupt erst auf diesen Weg geführt hatte: das Schreiben.
Trotz der negativen Meinungen und dem unsicheren Weg, der vor ihr lag, wollte sie mutig sein und ihren Traum verwirklichen. Frieda hatte das Leuchten in ihren Augen gesehen, als sie vom Schreiben erzählt hatte. Und auch sie selbst spürte es, immer wenn sie daran dachte, ihre Finger über die Tastatur ihres Laptops fliegen zu lassen oder den Stift über das Papier. Sie wusste einfach, dass sie schreiben wollte. Dass das Schreiben ihr Herz höher schlagen ließ.
Gerade als sie in ihren Gedanken versank, spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter.
„Úna? “, fragte Jill ungläubig.
Ùna, ihre Freundin aus Unizeiten, die sie seit Jahren nicht mehr gesehen hatte. Sie sah fast genauso aus wie früher, nur dass sie ihre Haare jetzt länger trug.
„Jill! “, rief Úna überrascht und lächelte breit. „Du bist es wirklich, das gibt’s doch nicht! Was machst du hier? “
Jill erwiderte ihr Grinsen. „Das selbe könnte ich dich fragen. “
„Ich bin auf dem Weg zu einem Gig in Kiel, aber bei dem Unwetter musste ich eine Pause einlegen. “ Úna deutete auf die Gitarre, die sie bei sich trug. „Und du? Was führt dich hierher? Was für ein Zufall, dass wir uns hier treffen! “
Jill konnte ihr Kopfschütteln nicht verbergen. Zufälle. Sie hatte bereits so viele eigenartige Zufälle auf ihrer Reise erlebt, dass sie allmählich daran zweifelte, ob sie alle wirklich so zufällig gewesen sind. Jill erzählte von ihrer spontanen Entscheidung, an die Ostsee zu fahren, um ihrem Leben eine neue Richtung zu geben. Sie sprach über ihre Unsicherheit, ihre Zweifel und über die Sehnsucht, die sie plötzlich überfallen hatte, als sie das Werbeplakat gesehen hatte. Sie wusste nicht, warum, aber es fühlte sich richtig an, Ùna von allem zu erzählen. Vielleicht, weil sie sie so lange nicht gesehen hatte. Oder weil Ùnas Augen bei jedem von Jills Worten immer größer wurden.
„Wow, Jill. Das klingt nach einem großen Schritt. Aber ich kann das verstehen. Manchmal muss man einfach alles hinter sich lassen und dem folgen, was das Herz einem sagt. “
„Ja “, stimmte Jill zu, „aber es ist nicht so einfach, wie ich dachte. Jetzt, wo ich unterwegs bin, frage ich mich, ob es nicht doch zu überstürzt war. “
Ùna nickte verständnisvoll. „Ich kenne das Gefühl. Als ich mich entschieden habe, Musikerin zu werden und meinen Job hinzuschmeißen, dachte ich auch, ich sei verrückt. Es gab so viele Leute, die mir gesagt haben, dass es ein Fehler ist und dass ich es nicht schaffen werde. Und glaub mir, es war nicht immer einfach. Aber ich bereue es keine Sekunde. “
Jill lächelte. „Du hattest immer schon diesen Traum, und du hast ihn verfolgt. Das bewundere ich an dir, Ùna. “
„Und du hattest immer das Talent, Geschichten zu erzählen “, entgegnete diese ernst. „Wenn das dein Traum ist, dann darfst du dich nicht von den Zweifeln anderer aufhalten lassen, die ihre Ängst auf dich projizieren. Natürlich kannst du scheitern, aber wenn du es gar nicht erst versuchst, wirst du nie erfahren, ob es vielleicht doch klappen könnte. Ich spiele dieses Wochenende auf meiner bisher größten Bühne und verdammt, ich habe solche Angst davor. Aber wenn ich nicht Musik machen würde, wäre ich unfassbar unglücklich. Und ich weiß, dass mein Leben zu kurz ist, um unglücklich zu sein. “
Jills Herz wurde auf einmal von einer Wärme durchflutet, die sich bis in ihre Fingerspitzen ausbreitete. Doch das Gespräch der beiden wurde plötzlich gestört. Die Lichter in der Raststätte flackerten und gingen schließlich aus.
Die Raststätte lag nun in völliger Dunkelheit.
Einige Gäste murrten und suchten hastig nach Taschenlampen oder ihren Handys, die dem Raum etwas Licht spenden konnten. Jill spürte, wie die Unruhe wieder in ihr wieder aufkeimte. Die Dunkelheit, das Unwetter draußen, all das schien sie zu erdrücken.
„Keine Sorge, Jill “, sagte Ùna plötzlich. „Wir sitzen das hier aus, und dann setzen wir unseren Weg fort. Du deinen und ich meinen. “
Jill nickte. Es war, als würden all ihre Ängste und Zweifel in diesem Moment zusammenkommen, um sie zu überwältigen. Aber sie wusste, dass sie nicht aufgeben durfte. Nicht jetzt.
Die Stunden zogen sich endlos hin. Jill und Ùna unterhielten sich weiter im schwachen Licht der Handys, tauschten Erinnerungen aus und sprachen über ihre Träume. Jill fühlte sich, als würde sie sich selbst ein Stück näher kommen, als würde das Gespräch mit Ùna ihr helfen, die Dinge klarer zu sehen.
Als das Unwetter draußen allmählich nachließ und das erste schwache Licht des Morgens durch die Fenster drang, entschied Jill, dass es Zeit war, weiterzufahren. Ùna bot ihr an, sie ein Stück zu begleiten, doch Jill wusste, dass sie diesen Teil ihrer Reise allein fortsetzen musste.
Sie verabschiedeten sich und Ùna drückte Jill fest an sich. „Gib nicht auf. Folge deinem Herzen, und du wirst den richtigen Weg finden. “
Jill sah ihr nach, wie sie in den ersten Sonnenstrahlen verschwand, bevor sie selbst in ihr Auto stieg und den Motor startete. Sie fühlte sich stärker, entschlossener, als sie die Raststätte hinter sich ließ und wieder auf die Straße fuhr. Die Dunkelheit war gewichen, und obwohl der Himmel noch immer von Wolken bedeckt war, schien es, als würde sich ein neuer Weg vor ihr auftun.
Das Leben war voller Unsicherheiten, und es gab keine Garantie für Erfolg. Aber das bedeutete nicht, dass sie es nicht versuchen sollte. Sie musste es sogar versuchen, weil es das war, was sie wirklich wollte. Die Ampel vor Jill sprang auf Grün, und Jill trat aufs Gas. Es fiel ihr plötzlich nicht mehr so schwer wie vor ein paar Tagen, als sie das geheimnisvolle Plakat gebraucht hatte, um weiterzufahren. Der Weg vor ihr war noch lang, und es würden noch viele Herausforderungen auf sie warten. Aber sie wusste jetzt, dass sie diesen Weg gehen musste, um herauszufinden, wer sie wirklich war und wozu sie in der Lage war.
Mit festem Griff um das Lenkrad und einem klaren Ziel vor Augen setzte Jill ihre Reise fort. Die Wolken begannen sich zu lichten, und am Horizont konnte sie ein schwaches Band blauen Himmels erkennen. Es war, als würde sich der Sturm nicht nur draußen, sondern auch in ihrem Inneren allmählich legen.
Jill lächelte. Sie wusste, dass die Reise noch nicht zu Ende war, aber sie war bereit, jeden Schritt davon zu gehen, in dem Wissen, dass sie auf dem richtigen Weg war – dem Weg zu sich selbst.
Und zu ihrem Traum.
Kapitel 5 - Leuchten
Jill hatte es geschafft.
Sie stellte den Motor ab, schaltete das Radio aus, dessen Musik sie die letzte Stunde über begleitete hatte, und holte tief Luft. Sie hatte es geschafft. Sie war tatsächlich in Timmendorfer Strand.
Die Sonne stand hoch am Himmel, das strahlend gelbe Licht spiegelte sich auf den Autodächern, die sich in ihrem Blickfeld befanden. Jill hatte ihren Golf auf einem Parkplatz geparkt, von dem aus sie bereits das tiefe Blau des Meeres sehen konnte.
Nun lag sie wahrhaftig vor ihr: die Ostsee. Ihr Ziel, auf dessen Weg so viele Herausforderungen gelegen hatten. Äußere wie auch innerliche. Der Sturm, der sie heute Nacht in der Raststätte festgehalten hatte, war längst verschwunden und hatte eine seltsame Ruhe in Jill hinterlassen.
Ein Moment des Friedens, bevor sie ihre Reise zu Ende brachte.
Zu Ende. Jill hielt inne. Sollte das hier wirklich schon das Ende sein? Sie hatte ihr Ziel erreicht, hatte die etlichen Kilometer aus der Großstadt hierher zurückgelegt, und doch fühlte sie noch nicht die Erfüllung, die sie sich erhofft hatte. Sie spürte wieder diese Angst, die sie schon mehrere Male auf ihrer Reise zweifelnd zurückgehalten hatte. Dieser Schritt, so kurz vor ihrem Ziel, war tatsächlich der schwerste.
Nervös stieg Jill aus dem Auto, streckte sich und atmete tief die frische Meeresluft ein. Der salzige Duft des Meeres legte sich auf ihre Zunge, während eine leichte Brise durch ihre Haare wehte.
Sie kramte auf dem Rücksitz nach einer leichten Jacke und warf sie sich über. Erschöpft steckte sie ihre Hände in die Jackentaschen, als sie plötzlich etwas Festes darin ertastete. Sie hörte es rascheln und zog das Papier neugierig heraus. Ein kleiner, hellbrauner Umschlag, leicht zerknittert und etwas nass. Verwirrt drehte sie ihn in ihren Händen und erkannte Friedas geschwungene Handschrift auf der Vorderseite: „Für Jill“.
Jills Herz machte einen Sprung. Ihre Finger zitterten leicht, als sie den Umschlag öffnete und den sorgfältig gefalteten Brief herauszog. Sie konnte es kaum glauben, dass Frieda ihr diesen Brief hinterlassen hatte, ohne ein Wort darüber zu verlieren. Mit klopfendem Herzen klappte sie das Papier auf und begann zu lesen:
„Liebe Jill,
wenn du diesen Brief liest, bist du hoffentlich dort angekommen, wo du schon immer hin wolltest: an den Ort, an dem du Frieden findest und den Mut hast, deine Träume zu leben. Ich wusste, dass diese Reise für dich mehr ist als nur eine Flucht vor dem Alltag. Sie ist der Anfang von etwas Neuem, und ich bin so stolz auf dich, dass du diesen Schritt gewagt hast.
Es tut mir leid, dass ich dich nicht weiter begleitet habe, aber ich wusste, dass dieser Teil der Reise allein dein Weg sein musste. Manchmal braucht man den Mut, allein zu gehen, um herauszufinden, wer man wirklich ist. Du hast in dir so viel Stärke, so viel Leidenschaft, und ich wollte dich nicht davon abhalten, sie zu entdecken. Ich wusste, dass du das kannst, Jill.
Die Zeit, die wir zusammen verbracht haben, bedeutet mir mehr, als ich in Worte fassen kann. Unsere Freundschaft hat mich in Momenten getragen, in denen ich mich verloren fühlte, und ich hoffe, dass ich dir auf dieser Reise dasselbe geben konnte. Auch wenn ich nicht körperlich bei dir bin, so bin ich doch in Gedanken immer an deiner Seite. Du bist gut genug, Jill. Du hast so viel zu erzählen, und die Welt wartet darauf, deine Geschichten zu hören.
Ich wünsche dir, dass du den Mut findest, diesen Traum zu leben. Du hast bereits den schwersten Schritt getan, indem du aufgebrochen bist. Jetzt ist es an der Zeit, weiterzugehen, ohne zurückzuschauen. Vertraue darauf, dass das Leben dir den Weg zeigt, und dass du jede Herausforderung meistern wirst.
Danke, dass du meine Freundin bist. Danke, dass du mich daran erinnert hast, wie wichtig es ist, sich selbst treu zu bleiben. Ich hoffe, dass du in dir den Frieden findest, den du suchst, und dass du nie aufhörst, deinen Träumen zu folgen.
Mit all meiner Liebe,
Frieda“
Tränen liefen über Jills Wangen, als sie den Brief zu Ende las. Sie hielt ihn fest in der Hand und presste ihn gegen die Stelle, an der ihr Herz lag. Die Worte ihrer Freundin hallten in ihrem Kopf nach. Sie spürte auf einmal eine unfassbar tiefe Dankbarkeit, die sich warm und angenehm in ihrer Brust ausbreitete.
Jill faltete den Brief wieder zusammen und legte ihn behutsam auf den Fahrersitz. Dann ging sie den schmalen Pfad entlang, der sie hinunter zum Strand führte. Sie schlüpfte aus ihren Schuhen, fühlte den warmen Sand unter ihren nackten Füßen und hörte das Rauschen der sanft brechenden Wellen. Ganz in der Nähe entdeckte sie eine Seebrücke und fühlte sofort, wie etwas sie in diese Richtung zog. Der hölzerne Steg erstreckte sich weit ins Meer hinein, so als würde er sie einladen, noch ein Stück weiter zu gehen. Noch tiefer in das Abenteuer, das vor ihr lag.
Langsam ging sie die Brücke entlang, Schritt für Schritt, bis sie am Ende ankam und nur noch Wasser vor sich sah. Die Wellen glitzerten im Licht der hochstehenden Sonne, und eine leichte Brise umspielte ihren Körper. Jill lehnte sich an das Geländer und ließ den Blick über das weite Meer schweifen. Hier, am Rand der Welt, wie es ihr schien, fühlte sie sich endlich … frei.
Frei von den Ängsten und Zweifeln, die sie so lange begleitet hatten. Frei von den Erwartungen anderer. Frei davon, weiter ein Leben zu leben, das sie nicht glücklich machte.
Plötzlich fiel ihr Blick auf etwas, das sie fast übersehen hätte. Direkt neben ihren Füßen lag ein Flyer, auf dem bunt und mit kräftigen Buchstaben ein einziges Wort stand. Er sah anders aus als das Plakat, das sie in der Stadt gesehen hatte. Aber das Wort war das gleiche: Ostsee.
Jills Mundwinkel zogen sich nach oben. Dieses Wort, das sie zuerst auf dem Plakat gesehen hatte, hatte alles verändert. Es hatte etwas in ihr wachgerufen, was sie lange verborgen gehalten hatte – die Sehnsucht nach mehr, nach einem Leben, das nicht nur aus Routine und Pflichterfüllung bestand. Sondern aus Träumen und Abenteuern. Und jetzt, am Ende ihrer Reise, sah sie es wieder. Ein Zeichen, dass sie den richtigen Weg eingeschlagen hatte.
Jill spürte, wie die Tränen erneut in ihr aufstiegen. Sie wusste, dass sie ihren Traum nicht länger ignorieren konnte. Es war Zeit, ihn zu leben, ihn mit jeder Faser ihres Seins zu verfolgen.
Mit einem tiefen Atemzug, der die frische, salzige Luft in ihre Lungen sog, schloss Jill für einen Moment die Augen und ließ die Tränen über ihre Wangen laufen. In diesem Moment, an diesem Ort, hier an der Ostsee, traf sie ihre endgültige Entscheidung.
Sie würde ihren Job kündigen, würde ihre Tage nicht länger in einem Büro verbringen, das sie innerlich leer zurückließ. Stattdessen würde sie sich dem Schreiben widmen, ihren Geschichten und Charakteren, die in ihrem Kopf lebendig waren und darauf warteten, aufs Papier gebracht zu werden. Denn wenn sie eines von dieser Reise gelernt hatte, dann dass das Leben zu kurz war, um nicht seine Träume zu verfolgen.
Jill öffnete die Augen und sah auf das weite Blau hinaus zum Horizont, wo Himmel und Meer aufeinandertrafen. Sie fühlte sich endlich bereit, den Schritt zu tun, der sie so lange zurückgehalten hatte.
„Ich werde es tun“, flüsterte sie in den Wind, der ihre Worte davontrug. „Ich werde schreiben.“
Mit diesem Entschluss in ihrem Herzen und dem Blick auf die Ostsee, die in diesem Moment so ruhig und friedlich vor ihr lag, fühlte sie sich stärker und entschlossener als je zuvor. Ein neues Kapitel in ihrem Leben hatte begonnen.
Und diesmal würde sie es selbst schreiben.
Carmen
Hallo Ihr Lieben!
Vielen Dank für diese wunderschöne Geschichte! Sie hat mich sehr berührt.
Es ist eine wundervolle Idee, eine Geschichte gemeinsam mit den Leserinnen zu schreiben.
Ihr seid toll!
Viele liebe Grüße
Carmen